Hauptwerk

Anschließend entwarf Schopenhauer sein Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung, das Anfang 1819 im Bibliographischen Institut F.A. Brockhaus erschien und später noch erheblich erweitert werden sollte. Der Philosoph war schon zu diesem Zeitpunkt von der geistesgeschichtlichen Bedeutung seiner Arbeit überzeugt, obwohl sie geschäftlich gesehen kein Erfolg werden sollte. Die erste Auflage war erst nach dreißig Jahren vergriffen.

Der Briefwechsel zwischen Schopenhauer und seinem Verleger ist ein aufschlussreiches Zeitdokument. Modern war an Schopenhauer seine Auffassung der Philosophie als einer speziellen Art von Schriftstellerei. Sein langer Kampf gegen Setzfehler passt zu seiner väterlichen Prägung vom penibel kalkulierenden Kaufmann und dem Bewusstsein, eine bedeutende Schrift verfasst zu haben. Seine eigene Peniblität und eine gewisse Rechthaberei äußerte sich u.a. darin, dass er in einem Anhang zu seinem Hauptwerk, in welchem er die Kant'sche Philosopie kritisierte, sehr detailliert und erfolgreich alle Auflagen der Kant'schen Werke nach begrifflichen Abweichungen untersuchte, weil die erste Auflage, nicht aber die späteren, mit seiner eigenen Philosophie verträglich sei.

Schopenhauer verstand sich aber auch als Bewahrer der deutschen Sprache und verbot nicht nur zur Bewahrung der Schärfe philosophischer Formulierungen, sondern auch aus sprachlichen Gründen sämtliche Änderungen seines Manuskripts, vor allem Anpassungen an den zeitgenössischen Sprachgebrauch. Dadurch verzögerte sich die Herausgabe, so dass es nicht pünktlich zur Leipziger Buchmesse im September 1818 erscheinen konnte. War er anfangs noch ganz geschmeidig und höflich („… Euer Wohlgeboren …“) mit Friedrich Arnold Brockhaus umgegangen, änderte sich dies schnell, nachdem der Kontrakt unterzeichnet war und erste Abweichungen auftauchten. Er sah sich als herausragenden, dennoch schlecht bezahlten Autor und beklagte sich:

„Es liegt am Tage, dass bei Ihnen Wort und That, Versprechen und Halten, zwei sehr verschiedene Dinge sind. […] Ich habe nicht des Honorars wegen geschrieben, wie die Unbedeutsamkeit des Selben von selbst beweißt; Sondern um ein lange durchdachtes und mühsam ausgearbeitetes Werk, die Frucht vieler Jahre, ja eigentlich meines ganzen Lebens, durch den Druck zur Aufbewahrung und Mitteilung zu bringen. Woraus folgt, daß Sie nicht etwa mich anzusehen und zu behandeln haben wie Ihre Konversationslexikons-Autoren und ähnliche schlechte Skribler, mit denen ich gar nichts gemein habe als den zufälligen Gebrauch von Tinte und Feder.“

Brockhaus’ Erwiderung fiel scharf aus. Er sprach Schopenhauer ab, ein Ehrenmann zu sein und weigerte sich, „etwaige Briefe“ seines Autors anzunehmen, „[…] die ohnehin in ihrer göttlichen Grobheit und Rusticität eher auf einen Vetturino [einen Lohnkutscher], als einen Philosophen schließen lassen möchten […] Ich hoffe nur, daß meine Befürchtung, an Ihrem Werke bloß Makulatur zu drucken, nicht in Erfüllung gehen werde.“

Ebenfalls 1819 unternahm der Privatgelehrte eine Reise nach Italien, die ihn über Venedig, Rom, Neapel und Paestum nach Mailand führte. Dort erreichte ihn im Juni die Nachricht vom Zusammenbruch des Danziger Bankhauses L. A. Muhl, bei dem er einen Teil seines Vermögens deponiert hatte. Er brach die Reise ab, um die Angelegenheit an Ort und Stelle zu regeln, wobei es erneut zu Spannungen zwischen ihm und seiner Mutter kam.

Außerdem kamen finanzielle Belastungen aus der Marqet-Affäre hinzu. Caroline Louise Marqet, eine 47jährige Näherin, hatte Schopenhauer durch ihr lautes Gespräch mit zwei anderen Frauen im Vorzimmer von dessen Wohnung derartig in Rage gebracht, dass dieser sie schließlich unsanft aus dem Haus geworfen hatte. Die derart Behandelte klagte daraufhin gegen Schopenhauer, da sie von dessen roher Behandlung ein andauerndes Zittern des Armes zurückbehalten habe. Sie bekam vor dem Kammergericht Recht und ihr wurde eine Vierteljahresrente von 15 Talern zugesprochen bis das Zittern wieder verschwunden sei. Zum Urteilsspruch bemerkte Schopenhauer sarkastisch, dass sie wohl so klug sein wird, das Zittern des Arms nicht einzustellen. Er sollte damit Recht behalten. Zu ihrem Tod 20 Jahre später notierte Schopenhauer lakonisch Obit anus, abit onus – „die Alte stirbt, die Last vergeht“.

Seine finanziell prekäre Situation veranlasste ihn, sich um eine Dozentur an der Universität Berlin zu bewerben.

1820 begann Schopenhauer die Lehrtätigkeit an der noch jungen Berliner Universität. Dabei kam es zu dem berühmten Streit mit Hegel. Schopenhauer setzte seine Vorlesungen gleichzeitig mit denen Hegels an, hatte aber nur wenige Zuhörer, da die Studenten Hegel bevorzugten. Bald begann er, die Universitätsphilosophie zu verachten. Als das Bankhaus 1821 seine Forderungen auszahlte, verließ er die Universität und setzte seine Italienreise fort.

Seit 1821 unterhielt er mehrere Jahre lang ein Verhältnis mit der damals 19-jährigen Opernsängerin Caroline Medon. Nach längeren, zum Teil krankheitsbedingten Aufenthalten in München, Bad Gastein und Dresden kehrte er erst im April 1825 nach Berlin zurück und unternahm einen erneuten Versuch, eine universitäre Laufbahn einzuschlagen.

Trotz einer rühmenden Besprechung der Welt als Wille und Vorstellung von Jean Paul erzeugten seine Ideen noch keine Resonanz.

Während seiner Aufenthalte in Berlin von 1820 bis 1831 wohnte Schopenhauer in der heutigen Dorotheenstraße 34 bzw. 30 in Berlin-Mitte. Bei Ausbruch einer Choleraepidemie in Berlin floh Schopenhauer 1831 – anders als Hegel, der ihr vermutlich zum Opfer fiel[3] – nach Frankfurt am Main, wo er den Winter verbrachte. Im Alter von 43 Jahren interessierte er sich nochmals für ein junges Mädchen, nämlich die 17-jährige Flora Weiss, die den wesentlich älteren Verehrer jedoch abwies. Nach einem Aufenthalt in Mannheim vom Juli 1832 bis Juni 1833 ließ er sich am 6. Juli 1833 endgültig in Frankfurt nieder.





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