Die Welt als Vorstellung

Ähnlich wie George Berkeley vertritt Schopenhauer die Auffassung, dass sich die Frage nach einer von ihrer Wahrnehmung unabhängig gegebenen Außenwelt nicht stelle. Er argumentiert bezüglich der Existenz einer Außenwelt sowohl gegen den Dogmatismus, der seiner Darstellung nach in Realismus und Idealismus zerfalle, als auch gegen skeptizistische Argumente, da sich die Welt dem Subjekt gegenüber ohnehin nur als Vorstellung zeige − die jedoch nicht als Imagination zu verstehen sei − und die Wahrnehmung unseren einzigen Zugang zur objektiven Welt darstelle.

Gegen den philosophischen Skeptizismus bringt er vor, jener bedürfe eher einer „Therapie“ oder „Kur“ als einer ernsthaften Diskussion. Nach seiner Konzeption ist uns als Subjekt die objektive Welt immer nur im Modus der Vorstellung gegeben, d. h. dass Objekte nur als eine Seite der vorstellenden Relation von Subjekt und Objekt ihre Existenz besitzen. Trotzdem kommt bei Schopenhauer der Welt eine Wirklichkeit zu, die über die reiner imaginativer Vorstellung hinausgeht. Demnach wäre es falsch, die Welt lediglich als Erscheinung oder als eine Imagination des menschlichen Bewusstseins zu verstehen. Wesentlich in der Terminologie Schopenhauers ist vielmehr die Unterscheidung zwischen der in Subjekt und Objekt zerfallenden Vorstellung einerseits und bloßer Imagination oder Fantasie, die damit nicht in Verbindung stehen, andererseits.

Schopenhauer widersprach der Überzeugung Kants, dass das Ding an sich jenseits aller Erfahrung liegt und deshalb nicht erkannt werden könne. Kants Ding an sich war für ihn zwar auch unerkennbar (wir sehen immer nur das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen), jedoch nicht unerfahrbar. Durch eine Selbstbeobachtung unserer Person können wir uns dessen gewiss werden, was wir letzten Endes sind: Wir erfahren in uns den Willen. Er ist das Ding an sich und damit nicht nur die Triebfeder allen Handelns von Mensch und Tier, sondern auch die selbst grundlose Ursache hinter den Naturgesetzen, z. B. den physikalischen Gesetzen. Die Welt ist letztlich blinder, vernunftloser Wille (vgl. Triebtheorie). Schopenhauer ist somit der klassische Philosoph und Hauptvertreter des metaphysischen Voluntarismus.

Doch die Welt ist nicht nur Wille, sondern erscheint auch als Vorstellung. Sie ist die durch Raum und Zeit sowie Kausalität, die den a priori gegebenen Erkenntnismodus von uns Verstandeswesen bilden, individuierte und verknüpfte Erscheinung des einen Willens. „Die Welt ist meine Vorstellung“ ist der erste Hauptsatz seiner Philosophie. Was uns als Welt erscheint, ist nur für uns, nicht an sich. Es gibt für Schopenhauer nichts Beobachtetes ohne Beobachter, kein Objekt ohne ein Subjekt. Die Welt, als Vorstellung betrachtet, zerfällt in Subjekte und Objekte, die sowohl untrennbar als auch radikal voneinander verschieden, jedoch letzten Endes beide nur Erscheinungen des Willens sind. Dieser ist nach Schopenhauer das Wesen der Welt, das sich, in Subjekt und Objekt erscheinend, gleichsam selbst betrachtet.





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